Neue Presse Coburg, 18.06.2021
Auf dem Weg zur Arten-Explosion
Gefährdete Tiere und Pflanzen sollen rund um Fischbach wieder eine Heimat finden. Fleißige Helfer dabei sind Rinder, Schafe und Ziegen. Die nehmen auch mal Samen oder Insekten per Anhalter mit.

Fischbach – „Ein Schmankerl vor die Füße“ gelegt hat man hier der Stadt Kronach. Das erklärte die Vorständin des Bayerischen Naturschutzfonds, Ulrike Lorenz, am Donnerstag bei Fischbach. Sie war in den Landkreis Kronach gekommen, um sich gemeinsam mit vielen der verbundenen Akteuren ein Bild vom Projekt „Fischbacher Weidenvielfalt“ zu machen – eine Zwischenbilanz inmitten des „Who is Who“ der bayerischen Naturschützer. Das Projekt läuft seit 18 Monaten. In gut zweieinhalb Jahren, Ende 2023, läuft die Förderung dafür aus. Aber man kann jetzt schon sehen, wo die Reise hingehen soll. Es wird zu einer „Explosion“ kommen, was die Artenvielfalt angeht, da ist sich Siegfried Weid von der Höheren Naturschutzbehörde an der Regierung von Oberfranken sicher. Zu diesem „Ausbruch“ soll es zum einen auf Kalkmagerrasen an den Steilhängen zwischen Fischbach und Wötzelsdorf kommen. Fleißige Helfer dabei sind Schafe und Ziegen. Diese vierbeinigen Lanschaftspfleger haben viele Vorteile im Vergleich zu den vierrädrigen. „Sie sind hochmobil, äußerst geländegängig und arbeiten quasi ohne Abgase und Lärm“, erklärte Kai Frobel, Vorsitzender der Ökologischen Bildungsstätte Mitwitz. Dazu kommt: Sie sind ein „bequemes Reisemittel“ für Samen oder Insekten, die sich im Fell oder in den Klauen der Schafe und Ziegen von Wiese zu Wiese transportieren lassen. Auch so wird Artenreichtum forciert.
Der Mainleuser Schäfer Daniel Stief, der wohl renommierteste Burenziegen-Züchter Deutschlands, hat bei Fischbach 13 Ziegen im Einsatz sowie 65 Dorperschafe plus Lämmer. Dass er zusammenhängende Flächen mit ihnen beweiden kann, ist für ihn ein Geschenk. So muss er seine Tiere nicht ständig umtreiben. Die Tiere wiederum danken uns unter anderem, indem sie beispielweise wuchernde Schlehen niederfressen und so die Flächen wieder offener halten. Stief’s Hauptaugenmerk liegt übrigens nicht im Verkauf von Wolle oder Fleisch, er setzt gang auf die Zucht. Demnächst fliegen bespielsweise 250 seiner Ziegen nach Nepal, weil sich die Qualität seiner Tiere bis nach Südasien herumgesprochen hat.
Der andere Bereich innerhalb des Projekts spielt sich auf der Hochfläche über Fischbach ab. Dort soll eine halbwilde Rinderweide entstehen, das heißt einige wenige Rinder werden etwa acht Monate im Jahr frei innerhalb einer großen eingezäunten Fläche verbringen. Die dabei entstehenden Gehölze und Hecken sowie der Dung der Rinder ziehen Insekten und zahlreiche Vogelarten an. Seit knapp einer Woche sind dort die ersten acht Angus-Kühe „eingezogen“ und verrichten ihren wertvollen Dienst an der Natur.

Innerhalb von 18 Monate konnte die „Stiftung Lebensräume für Mensch und Natur“ im Projektgebiet 49 Hektar erwerben oder langfristig pachten. „Das waren 30 Eigentümer, mit denen Verträge gemacht wurden – über 100 Flurstücke. Wir waren 40 Mal beim Notar“ erzählte der Vorsitzende der „Stiftung Lebensräume für Mensch und Natur“, Christoph Hiltl. Und das Wichtigste dabei: Kein örtlicher Landwirt hat hier Flächen verloren. Durch Tausch oder auch Kauf hat man sich laut Hiltl mit allen geeinigt. Nun würden Schafe, Ziegen und Rinder dafür sorgen, dass vielfältige Strukturen auf den Flächen Einzug halten.
Doch auch wenn sie quasi frei leben, um die Tiere muss sich auch jemand kümmern. Bei den Rindern übernimmt der Job deren Eigentümer Michael Schubert. Der ist voll des Lobes für das Projekt. Der Druck, dass beim Ackerbau das Wetter mitspielt oder keine Schädlinge eingetragen werden, damit er am Ende auch etwas verdient – all das falle bei der Rinderhaltung im Freien weg. Auch die nervliche Belastung, von anderen als „schlechter Bauer“ abgestempelt zu werden, weil man beispielweise mit Spritzmitteln arbeitet, habe ihm zunehmend zugesetzt. Nun könne er locker sagen: „Hey, ich bin ein Guter!“ Auch weil er Teil dieses Projekts ist. Eines Projekts, das, so Ulrike Lorenz vom Bayerischen Naturschutzfonds, dem Namen der Stiftung „Lebensräume für Mensch und Natur“ alle Ehre mache: „Weil es ein Projekt für Mensch und Natur ist.“